
Traditionell, wenn man davon im 5. Betriebsjahr sprechen kann, verarbeiten wir am Anfang des Jahres ein ganzes Schwein in meinem Bio Restaurant. Das ist für uns handwerklich so ziemlich am spannendsten, wenn es um die Verarbeitung von Tieren geht. Die Vielfalt an Produkten, die sich aus dem ganzen Tier zubereiten lässt ist schier unglaublich, ebenso, wie viel Ertrag wir aus einem Tier haben und wie viele Menschen bei uns davon essen. Schwein hat ein katastrophales Image, zu verdanken der Schlachtindustrie, Discountern, diversen Skandalen und verachtende Haltungs- und Produktionsformen. Mit der ganzen Schiene haben wir naturgemäß wenig am Hut, sodass wir natürlich auch in diesem Bereich auf Ausnahmequalität ausgewählter Höfe zurückgreifen.

Hierbei lohnt es sich das Schwein und seine ihm anvertraute Aufgabe auf dem Hof zu betrachten. Das Schwein ist nämlich als Allesfresser auf dem Hof für die Resteverwertung verantwortlich. Soll heißen es wird ausgeputztes Gemüse, backunfähiges Getreide, Zwischenfrüchte, vielleicht sogar Molke aus der hofeigenen Käserei verfüttert. Im Gegenzug produziert das Schwein Nachkommen, Dünger für die Felder und schlussendlich natürlich auch den Schlachtkörper. Die Höfe, von denen wir Schweine beziehen haben ihren Tieren diese Aufgaben anvertraut im Gegensatz zur Massentierhaltung, in der es darum geht aufs effektivste günstig und schnell Fleisch zu produzieren.
Wir benutzen generell nur alte Schweinerassen, die im Gegensatz zum industriellen Tier deutlich mehr Fett ansetzen und eine sehr viel robustere Gesundheit vorweisen. In diesem Jahr haben wir das erste Mal ein Ackerschwein verarbeitet, das bedeutet, dass die Tiere ganzjährig auf der Weide stehen und ihrem natürlichem Verhalten, wie bspw. das Suhlen im Schlamm nachgehen können. Den Hof habe ich bereits im vergangenen Jahr mit meiner Tochter besucht, um mir selbst ein Bild von der Tierhaltung zu machen und die Menschen kennen zu lernen, die für den Hof verantwortlich sind. Wir haben uns ausgiebig ausgetauscht, kennengelernt und viel über die Ackerschweinhaltung gelernt.
Für den Januar haben wir die Abnahme eines Tieres verabredet.

Wenn es dann so weit ist und wir das geschlachtete Tier abholen, steht die Küche für eine Woche Kopf. Es ist eine enorme Herausforderung ein Ganzes Tier im laufenden Betrieb so mannigfaltig zu verarbeiten. Wir reden hier über beinahe 150 kg Schlachtgewicht und weit über 15 verschiedene Zubereitungs- und Konservierungsarten des Produktes. Wir verarbeiten bspw. Blut und Innereien zu Blutwurst und grober Leberwurst. Der Kopf wird abgekocht und zu Sülze und gebackenen Pralinen, wir salzen eine ganze Menge Schinken ein für die nächsten Monate und vor allem die Spargelsaison. Dann wird Schinken kalt oder heiß geräuchert, luftgetrocknet und gereift. Wir machen Bratwürste für den Mittagstisch, kochen Schwarten für Sauerkraut und bereiten uns viele Teilstücke für Menu Hauptgänge zu. Dann wird noch Rillette, Schmalz und andere Würste eingekocht. Alles in allem eine Unmenge an Arbeit und auch handwerklicher Herausforderung. Das erfordert eine ganze Menge Organisation und zahnradmäßiges Ineinandergreifen unseres Teams. Ist der Großteil der Arbeit geschafft, erfüllt uns das Probieren und Servieren der Produkte mit großem Stolz, ist es doch eine absolute Rarität mit solch einer Ausnahmequalität zu arbeiten und Speisen daraus zu zubereiten.

Das Handwerkszeug habe ich mir über die Jahre dafür angeeignet, über Lesen von Fachliteratur, Praktika bei Fleischern, das Beiwohnen von Schlachtungen und die Fortbildung über Videos etc. Danach geht es ans Trainieren mit den Produkten in der Praxis.
Wir verarbeiten die Tiere in der Regel im Ganzen, denn wenn wir Fleisch konsumieren und einem Lebewesen das Leben nehmen, um es zu essen, ist es unsere Verantwortung, dass dieses respektvoll behandelt wird und gänzlich benutzt wird.
„Nose-2-Tail“ ist bei uns kein Marketingbegriff, sondern wird durch unser Konzept gelebt. Im Industriellen Schlachtbereich, sowie im Großhandel fällt dermaßen viel Abfall an und die Tiere werden völlig anonym und fern jeder Pietät behandelt, dass es mir zuwider ist, solche Produkte zu verkochen. Bestellen wir so etwas, wissen wir quasi gar nichts über die Herkunft dieses Fleischs – wer es wo aufgezogen hat, was es zu fressen bekommen hat, wo es geschlachtet wurde oder oder oder … Daher ist es für uns unabdingbar eine Beziehung zu den Menschen und den Tieren zu haben, die wir verarbeiten.

Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir das Schwein komplett verarbeitet und servieren es nach und nach. Es kommt großartig bei unseren Gästen an, wir servieren es mannigfaltig, mittags gibt es die beschriebene Bratwurst, abends dann grobe Blutwurst gebraten mit Oliven und Rosinen als Zwischengang und im Hauptgang grillen wir Nacken und kombinieren es mit roter Bete aus dem Umland.
Wir brechen eine Lanze für dieses hochwertige Lebensmittel und leisten Aufklärungsarbeit, warum Schweine in unseren Augen auf Höfen wichtig sind, wie vielfältig sich diese verarbeiten lassen und welchen kulturellen Hintergrund diese Verarbeitungen haben.
Was mich persönlich viel und dynamisch beschäftigt sind die moralischen und ethischen Grundlagen und Problemfelder des Fleischkonsums. Darüber hier zu schreiben, würde aber den Rahmen sprengen. Zurzeit kann ich das für mich und mein Restaurant in der Form verantworten und freue mich auf den Zeitpunkt, wenn wir in ein paar Wochen zum ersten Spargel unseren selbstgeräucherten Schinken anschneiden und verkosten können.
Geschrieben von Sebastian Junge